'Kinematik' ist die systematische Beschreibung solcher Vorgänge mit Begriffen wie Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung. Die Ursachen dieser Vorgänge werden dabei nicht behandelt, ähnlich wie ein Fahrplan den Ort eines Zuges zu jedem Zeitpunkt seiner Fahrt beschreibt, aber keine Auskunft über das Antriebsaggregat der Lokomotive gibt.
Bei vielen Größen in der Kinematik spielt die Richtung eine Rolle. Eine
gerade Wegstrecke kann in zwei Richtungen durchlaufen werden. Die zugehörige Verschiebung
im Raum ist eine gerichtete Größe. Bei einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit auf einer Geraden
müssen Sie nicht nur den Betrag, sondern auch die Richtung der Geschwindigkeit angeben.
Gerichtete Größen werden als Vektoren bezeichnet, im Unterschied zu Skalaren
wie z. B. der Druck, die vollständig durch ihren Betrag beschreiben werden.
In diesem Vorkurs werden einige Beispiele aus der Kinematik behandelt, so dass Sie von Beginn an in der Physikvorlesung verstehen können, wie Koordinatensysteme, Vektoren und der Parameter Zeit verwendet werden. Das Gesamtgebiet der Kinematik ist wesentlich umfangreicher als das, was wir Ihnen in diesem Vorkurs zeigen wollen.
Entsprechend werden Sie in der Mathematikvorlesung einen systematischen Zugang zu einem Vektorbegriff
kennenlernen, der weit über das hinausgeht, was Sie im Kapitel Vektoren lesen können.
Mit der Zeitangabe gibt es selten Probleme: die Zeit 'fließt' in einer Richtung
(in die Zukunft), und praktisch jeder hat eine Armbanduhr. Als 'Zeitnullpunkt'
wird in den meisten Kulturen Christi Geburt benutzt, alles andere regelt der Gregorianische Kalender.
Im Jet-Zeitalter muß man allerdings auf die Zeitzonen achten: Jede Zeitzone hat
für den aktuellen Tag ihren eigenen Zeitnullpunkt.
Wenn Sie zur Zeitmessung bei einem Vorgang eine Stoppuhr verwenden, z. B. bei einem 100m-Lauf,
dann müssen Sie ebenfalls den Nullpunkt Ihrer Zeitmessung
eindeutig definieren, um Mißverständnisse zu vermeiden. Für die eindeutige Zeitangabe benötigen Sie also
zwei Informationen: einen Zeitnullpunkt und eine Zeitspanne, die den Abstand des Ereignisses
vom Zeitnullpunkt angibt.
Heute tragen schon viele Menschen eine Armbanduhr, die nicht nur die Zeit, sondern
über ein Satellitenmeßnetz wie das GPS (Global Positioning System) auch den Ort in der Nähe der Erdoberfläche anzeigt.
Damit kann man nicht nur in der Zeit, sondern auch im Ort 'pünktlich' sein!
Für die Ortsangaben benötigen Sie mehrere Informationen. Zunächst müssen Sie einen
Bezugspunkt im Raum angeben, den 'Nullpunkt' oder 'Ursprungspunkt'.
Dann müssen Sie drei Richtungen im Raum festlegen, die 'Koordinatenachsen'.
Beliebt ist ein System aus drei Richtungen, die jeweils aufeinander senkrecht stehen und
durch Geraden charakterisiert werden, die durch den Ursprungspunkt verlaufen. Diese drei
Achsen werden meist mit `x`, `y`, `z` bezeichnet.
Die Wegbeschreibung zu einem bestimmten Punkt im Raum lautet dann z. B.
'Gehen Sie vom Ursprungspunkt aus 10m in Richtung der `x`-Achse, von dort aus 20m entgegengesetzt
zur Richtung der `y`-Achse und dann noch 15m in Richtung der `z`-Achse.'
Das ist so ähnlich wie eine Anweisung zur Schatzsuche:
'Gehen Sie von der Eiche aus 10m nach Süden, dann 20m nach Westen, und schauen Sie im hohlen
Stamm des Baums in 15m Höhe nach.'
Beachten Sie bitte, dass Sie nicht nur den Nullpunkt und die Abstände, sondern auch die Richtungen
benötigen, in die Sie gehen müssen, also die Orientierung der `x`, `y` und `z`-Achse.
Statt längs der drei Achsenrichtungen zu gehen, hätten Sie auch direkt auf einer geraden Linie
vom Ursprungspunkt zum Zielpunkt gehen können.
Einen Punkt im Raum können Sie also durch eine Verschiebung vom Nullpunkt zu diesem Punkt
charakterisieren.
Diese Verschiebung zeichnet man als Pfeil, der im Ursprungspunkt beginnt
und dessen Spitze im Zielpunkt liegt. Die Länge des Pfeils ist der Abstand zwischen
Ursprungspunkt und Zielpunkt.
Die Richtung des Pfeils kennzeichnet die Richtung, in der Sie den Ursprungspunkt bewegen müssen,
um zum Zielpunkt zu kommen. Dieser Pfeil, der im Ursprungspunkt beginnt, ist der Ortsvektor des Punkts.
Machen Sie sich klar, dass der Ortsvektor derselbe bleibt, wenn Sie sich auf
andere Richtungen für die Koordinatenachsen einigen. Solange Sie den
Nullpunkt des Systems feshalten, bleibt der Pfeil im Raum liegen. In vielen
Fällen können Sie eine Situation bereits analysieren, wenn Sie lediglich diese
geometrische Vorstellung eines Vektors benutzen und Vektoren 'hinzeichnen'.
Der Ortsvektor eines Punktes wird mit `bb r` bezeichnet. Die Länge eines Vektors
(ohne Vorzeichen!) ist sein Betrag, bezeichnet mit `| bb r|` oder einfach mit `r`.
Der Betrag des Ortsvektors ist sein Abstand vom Nullpunkt.
In früheren Texten finden Sie manchmal noch einen Buchstaben mit einem
kleinen Pfeil darüber als Kennzeichnung eines Vektors `vec r`. Diese Notation wird
heute nur noch handschriftlich verwendet, z. B. in der Vorlesung an der Tafel.
In Texten und Formeln sind Vektoren entsprechend den Empfehlungen der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt generel fett (und meist auch kursiv) gesetzt.
Achten Sie deshalb in Lehrbüchern und in Textdokumenten auf kursiv fett gesetzte
Buchstaben, die Vektoren symbolisieren, und verwechsln Sie sie nicht mit den
lediglich kursiv gesetzten Beträgen.
Wenn Sie mit Vektoren rechnen wollen, müssen Sie irgendwann auf ihre
'Koordinatendarstellung' zurückgreifen. Unter Bezug auf das vorher
festgelegte Koordinatensystem geben sie dann einfach die drei Werte an,
die die nacheinander auszuführenden Verschiebungen längs der
Koordinatenachsen bis zum Zielpunkt beschreiben ('10 m in Richtung der
`x`-Achse...'). Ein Wert mit negativem Vorzeichen bedeutet, dass Sie
entgegengesetzt zur festgelegten Richtung der Koordinatenachse gehen
müssen. Meistens ordnet man die 'Koordinaten' in einer Spalte an und
setzt eine Klammer herum:
`bb r = ((x), (y), (z)) = ((10m), (-20m), (15m))`
Gebräuchlich, weil einfacher zu schreiben ist aber auch:
`bb r = (x, y, z) = (10m, -20m, 15m)`
Wenn Sie auflisten wollen, an welchen Punkten sich ein Körper im Raum
zu welchen Zeitpunkten befindet, dann können Sie diese Liste in Form
der Funktion `bb r (t)` hinschreiben. diese Funktion beschreibt die Bahn des
Objekts mit der Zeit als Parameter.
Aus der Diskussion über den Ortsvektor konnten Sie entnehmen, dass der
Vektor selbst unabhängig vom Koordinatensystem ist. Lediglich seine
Darstellung in Koordinaten ändert sich, wenn Sie das System ändern. Sie
sollten immer die Darstellung so einfach wie möglich wählen.
Wenn sich ein Objekt auf einer Geraden bewegt, dann legen Sie die `x`-Achse
Ihres Koordinatensystems direkt in die Bahn des Objekts. Wählen Sie als
Richtung der Achse die Richtung, in der sich das Objekt bewegt. Die
Koordinaten `y` und `z` benötigen Sie jetzt zur Beschreibung gar nicht mehr, sie
sind während der ganzen Bewegung null. Es genügt, die Funktion `x(t)`
anzugeben, zusammen mit den Nullpunkten für die Zeitmessung und für die
`x`-Achse. Da es auf einer Geraden nur zwei mögliche Richtungen gibt, kann
der Vektorcharakter des Ortsvektors für einen Punkt auf der `x`-Achse jetzt
durch das Vorzeichen der `x`-Koordinate ausgedrückt werden.
Analog benötigen Sie zur Beschreibung von Vorgängen, die in einer Fläche
ablaufen, nur zwei Koordinaten. Stellen Sie sich z. B. ein Schiff vor, das den
Ärmelkanal überquert. Zur Navigation genügt ein Kompass, das Koordinatensystem
besteht aus einer `x`-Achse (der Richtung von Westen nach Osten) und
einer `y`-Achse (der Richtung von Süden nach Norden). Natürlich müssen Sie
einen Ursprungspunkt vorgeben, z.B. Dover. Wo Calais liegt, können Sie dann
in Bezug auf Dover und die beiden vereinbarten Achsen durch zwei Koordinaten
eindeutig angeben. Die dritte Koordinate, die Höhe über der Erdoberfläche,
hat auf dem Kanal den Wert Null und ist für die Navigation unbedeutend. Es
genügt also, Ortsvektoren in diesem Bezugssystem als `bb r = (x, y)` anzugeben.
Nur bei einem 'echten' dreidimensionalen Problem sollten Sie alle drei
Ortskoordinaten verwenden und `bb r` als `bb r = (x, y, z)` schreiben.
Sie können sofort erkennen, dass `bb a + bb b = bb b + bb a` ist. Außerdem sehen Sie, dass
der Summenvektor die Diagonale in einem Parallelogramm ist, das durch `bb a` und `bb b`
aufgespannt wird ('Parallelogrammregel der Vektoraddition').
Die Differenz `bb b - bb a` zweier Vektoren `bb a` und `bb b` ist die Anweisung, den Vektor
`- bb a` zum Vektor `bb b` hinzuzuaddieren. Der Differenzvektor ist die andere Diagonale
in einem Parallelogramm, das durch `bb a` und `bb b` aufgespannt wird.
Einleuchtende Beispiele zur Vektoraddition und -subtraktion finde Sie bei
Vorgängen, bei denen Geschwindigkeiten addiert oder subtrahiert werden,
z. B. bei einem Flug mit Gegenwind oder Rückenwind oder bei der
Überquerung eines Flusses (s. Aufgaben).
Wenn Sie Vektoren in Koordinatenschreibweise darstellen, ist es nicht schwierig,
die Vektorsumme in Koordinatenschreibweise auszurechnen
(s. Anhang).
Sie können `bb a` als die Differenz von `bb r_2` und `bb r_1` interpretieren:
`bb a = bb r_2 - bb r_1`
Entsprechend ist `- bb a = bb r_1 - bb r_2`, die Verschiebung für einen Punkt, der sich in
Gegenrichtung, also von `P_2` nach `P_1` bewegt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich das klarzumachen. Wenn Sie z. B.
`bb a` parallel zu sich selbst an `bb r_1` entlang nach unten ziehen, bis `bb a` im Nullpunkt des
Koordinatensystems beginnt, dann zeigt die Spitze von `bb a` auf einen neuen Punkt
im Raum. Diesen Punkt erreichen Sie, indem Sie vom Ursprung aus zum
Punkt `P_2` gehen und von dort aus den Vektor `bb r_1` in umgekehrter Richtung
durchlaufen, also von der Spitze bis zum Anfang. Sie addieren also den
Vektor `- bb r_1` zum Vektor `bb r_2`.
Offenbar dürfen Sie den Vektor `bb a` jetzt parallel zu sich selbst frei im Raum
verschieben.
Interpretieren Sie den Vektor `bb a` jetzt nicht mehr als Ortsvektor, sondern als
Richtungs- und Entfernungsangabe von einem beliebigen Startpunkt aus, also
als Vorschrift für eine Verschiebung eines Punktes zu einem anderen Punkt.
Sie können dann sehen, dass die Summe aus `bb r_1` und `bb a` den Ortsvektor `bb r_2` ergibt:
`bb r_2 = bb r_1 + bb a`
Das bedeutet: Gehen Sie vom Ursprung aus zur Spitze von `bb r_1` und von dort aus
in die von `bb a` vorgegebene Richtung so weit, wie durch die Länge von `bb a` angegeben.
Dann kommen Sie zur Spitze von `bb r_2`.
Ein irgendwo hingezeichneter Pfeil, dessen Länge und Richtung die
Verschiebung `bb a` beschreibt, repräsentiert graphisch die gesamte Klasse aller
Verschiebungen gleicher Länge und Richtung wie `bb a`, die Sie mit den Punkten
des Raumes durchführen können. Der Vektor `bb a` 'ist' diese ganze Klasse von
gleichartigen Verschiebungen.
Der Vektor `bb a` ist in diesem Sinne völlig unabhängig vom gewählen
Koordinatensystem, auch von dessen Ursprungspunkt. Er repräsentiert eine
Verschiebung mit willkürlichem Anfangspunkt. Viele physikalische Größen
haben diese Eigenschaft, z. B. die Geschwindigkeit. Wenn Sie mit Ihrem Auto
über die Autobahn fahren, dann bleiben Betrag und Richtung der
Geschwindigkeit dieselbe, unabhängig davon, in welchem Koordinatensystem
Sie den Vorgang beschreiben.
Ein Repräsentant von `bb a` ist der Ortsvektor, der dieselbe Richtung und dieselbe
Länge wie `bb a` hat, aber im Ursprung des Koordinatensystems beginnt. In diesem
Koordinatensystem können Sie `bb a` durch die Koordinatenangabe `(x,y,z)` des
zugehörigen Ortsvektors quantitativ beschreiben. Der Verschiebungsvektor `bb a`
und der Ortsvektor `bb a` sind sich sehr ähnlich, aber begrifflich verschieden.
Ortsvektoren dürfen Sie nicht verschieben, sie beginnen immer im Koordinaten-
Ursprung. Kräfte dürfen Sie in bestimmten Situationen verschieben, aber u. U.
nur 'längs ihrer Wirkungslinie', d.h. auf der Geraden, längs derer der Vektorpfeil
zeigt. Sie müssen also jeweils wissen, ob Sie eine vektorielle Größe frei
verschieben dürfen oder ob sie irgendwo 'angebunden' bleiben muss. Was Sie
mit welcher vektoriellen Größe machen dürfen und was nicht, werden Sie an
der entsprechenden Stelle in der Physikvorlesung hören.
Der Geschwindigkeitsvektor Ihrer Gesamtbewegung ist die Vektorsumme der
Geschwindigkeitsvektoren der Einzelbewegungen.
Umgekehrt können Sie eine beliebige Bewegung in Teilbewegungen aufspalten.
Wenn Sie z.B. unter einem Winkel von 30° zum Ufer durch einen Kanal
schwimmen, können Sie die Bewegung in Teilbewegungen parallel und senkrecht
zum Ufer zerlegen.
Die Bewegung parallel zur Uferlinie entspricht der Bewegung, die ein
Beobachter ausführt, der am Ufer entlanggeht und immer auf Ihrer Höhe bleibt.
Die Bewegung senkrecht zur Uferlinie entspricht der Bewegung, die ein
Beobachter ausführt, der den Kanal gleichzeitig mit Ihnen auf dem kürzesten
Weg durchschwimmt und dabei immer auf Ihrer Höhe bleibt.
Die Aufspaltung der Bewegung entspricht also der Projektion Ihrer Bewegung
auf die beiden Achsen parallel und senkrecht zum Ufer. Die Teilbewegungen
können Sie duch Geschwindigkeitsvektoren charakterisieren, deren
Vektorsumme zu jedem Zeitpunkt Ihre Gesamtgeschwindigkeit ergibt.
Wenn ein Körper gleichzeitig mehrere Bewegungen ausführt, dann überlagern
sich diese Bewegungen zu einer Gesamtbewegung, ohne sich gegeneitig
zu stören. Dieses Überlagerungsprinzip oder Superpositionsprinzip ist der
Grund dafür, dass Bewegungen in der Kinematik sehr elegant durch Vektoren
beschrieben werden können.
In der Kinematik wird dieses Prinzip an vielen Stellen verwendet. In den
Aufgaben finden Sie mehrere Beispiele dafür.
Im rechtshändigen Koordinatensystem, das gewöhnlich verwendet wird, sind
die Achsen so angeordnet, dass die x-Achse der Richtung des Daumens, die
y-Achse der Richtung des Zeigefingers und die z-Achse der Richtung des
Mittelfingers der rechten Hand entsprechen, wenn Sie die Finger so
ausstrecken, dass Sie senkrecht aufeinander stehen (Drei-Finger-Regel).
Häufig kommen auch Polarkoordinaten vor, insbesondere bei der Beschreibung
von Kreisbewegungen in der Ebene. Anstelle der rechtwinkligen Koordinaten
`x` und `y` werden der Abstand `r` vom Ursprungspunkt und der Winkel `Phi` in Bezug
auf eine festgelegte Achse zur Beschreibung eines Punktes in der Ebene
benutzt. Dazu muss der Orientierungssinn der Winkelmessung festgelegt werden.
Üblicherweise ist ein Winkel für einen Durchlaufsinn entgegen dem Uhrzeigersinn
positiv.
In der Vorlesung werden Sie in der Kinematik bei der Behandlung der Kreisbewegung Polarkoordinaten benutzen.
Polarkoordinaten (Kugelkoordinaten) werden auch für dreidimensionale
Probleme benutzt. Ein vermutlich jedem bekanntes Beispiel dafür ist die
Ortsbestimmung auf der Erde in Form des Längen- und Breitengrades,
gemessen in Bezug auf einen festgelegten Meridian (auf der Erde der Meridian
von Greenwich) und in Bezug auf eine Achse durch den Erdmittelpunkt
(auf der Erde die Achse durch die Erdpole).
Im allgemeinen Polarkoordinatensystem werden der Längen- und Breitengrad
als Azimuthwinkel und Polarwinkel bezeichnet. Die dritte Koordinate ist der
Abstand `r` vom Ursprungspunkt (auf der Erde der Erdmittelpunkt). Auf der Erde
hat `r` an allen normalerweise zugänglichen Orten annähernd denselben Wert.
Obwohl die Erde ein dreidimensionales Objekt ist, genügt deshalb für die
Ortsangabe in den meisten Fällen der Längen- und der Breitengrad.
Es gibt weitere, speziellen Problemen angepasste Koordinatensysteme, z.B.
Zylinderkoordinaten. Schon die Kugelkoordinaten werden Sie als Studierende,
die Physik als Nebenfach hören, vielleicht niemals explizit in der Vorlesung
zu sehen bekommen. Angewendet werden sie z.B. in der Elektrodynamik bei
der Beschreibung von Abstrahlvorgängen oder in der Quantenmechanik bei
der Beschreibung der Zustände der Atomhülle.
Die verschiedenen Koordinatensysteme repräsentieren selbstverständlich
dieselben Punkte im Raum bzw. dieselben Vektoren. Lediglich die Zahlenwerte,
die die Komponenten numerisch beschreiben, ändern sich beim Wechsel des
Systems. Die Angaben für die Koordinaten eines Punktes in verschiedenen
Systemen kann mann ineinander mit Hilfe von Koordinatentransformationen
umrechnen. Dieses Thema wird in der Mathematikvorlesung behandelt.
Dieser Grenzwert wird Momentangeschwindigkeit oder Geschwindigkeit
zum Zeitpunkt `t` bezeichnet. Er wird mit `(ds)/dt` oder mit einem Punkt über
der Funktion `s(t)` abgekürzt und dann Ableitung nach der Zeit genannt:
`v(t) = lim_(Delta t -> 0) (Delta s)/(Delta t) = (ds)/dt= dot s(t)`
Auch vektoriell ist eine solche Definition sinnvoll: Der Geschwindigkeitsvektor
ist der innerhalb eines Zeitraums durchlaufene Verschiebungsvektor
vom Punkt `P` zum Punkt `P_2` dividiert durch dieses Zeitintervall. Er hat also
dieselbe Richtung wie der Verschiebungsvektor.
Der Vektor der Momentangeschwindigkeit ist der Grenzwert, der sich ergibt,
wenn Sie für die Berechnung des Geschwindigkeitsvektors das Zeitintervall
um einen Zeitpunkt `t` herum immer kleiner werden lassen.
Die Bedeutung dieser Definition können Sie sich jetzt der Reihe nach für die
Bewegung auf einer Geraden, für die Bewegung in einer Ebene und dann für
den allgemeinen Fall der Bewegung im Raum anschauen.
Bei einer Bewegung längs einer Geraden, z. B. längs der `x`-Achse, ist die
Geschwindigkeit einfach eine Größe mit Vorzeichen. Der Verschiebungsvektor
ist `x(t_2) - x(t)`, das Zeitintervall ist `t_2 - t`. Je nach Richtung der Bewegung
in Bezug auf die Orientierung der `x`-Achse kann `x(t_2)-x(t)` positiv oder negativ
sein, entsprechend wird der Geschwindigkeitsvektor parallel oder antiparallel
zur Richtung der `x`-Achse gerichtet sein:
`bb v(t) = lim_(Delta t -> 0) (x(t_2)-x(t))/(t_2 - t)`
Bei einer Bewegung in einer Ebene, die durch ein `x`-`y`-Koordinatensystem
beschrieben wird, können Sie die Bewegung in eine Teilbewegung längs der
`x`-Achse und in eine Teilbewegung längs der `y`-Achse aufspalten. Für jede
der beiden Teilbewegungen können Sie einen Geschwindigkeitsvektor
berechnen. Er ist jeweils entweder parallel oder antiparallel zur
entsprechenden Achse gerichtet:
`bb v_x(t) = lim_(Delta t -> 0) (x(t_2)-x(t))/(t_2 - t)`
`bb v_y(t) = lim_(Delta t -> 0) (y(t_2)-y(t))/(t_2 - t)`
Die beiden Geschwindigkeitsvektoren können Sie jetzt vektoriell zum Vektor
der Gesamtgeschwindigkeit addieren. In Koordinatenschreibweise schreiben
Sie einfach die beiden Geschwindigkeiten längs der `x`- und der `y`-Achse
untereinander.
Graphisch addieren Sie nach der "Parallelogrammregel".
`bb v(t) = ((v_x(t)), (v_y(t)))`
Im dreidimensionalen Raum berechnen Sie den Geschwindigkeitsvektor ähnlich wie bei der
Bewegung in der Ebene, es kommt lediglich ein weiterer Summand für die Bewegung
längs der `z`-Achse hinzu:
`bb v(t) = ((v_x(t)), (v_y(t)), (v_z(t)))`
Ausgeschrieben bekommen Sie einen Ausdruck, in dem rechts in der Klammer
die Koordinatenschreibweise für die Differenz der Ortrsvektoren der Punkte
`P_2` und `P` steht:
`bb v(t) = ((v_x(t)), (v_y(t)), (v_z(t)))
= ((lim_(Delta t -> 0) (x(t_2)-x(t))/(t_2 - t)), (lim_(Delta t -> 0) (y(t_2)-y(t))/(t_2 - t)), (lim_(Delta t -> 0) (z(t_2)-z(t))/(t_2 - t)))
= lim_(Delta t -> 0) 1/(t_2 - t) ((x(t_2)-x(t)), (y(t_2)-y(t)), (z(t_2)-z(t)))`
Der Vektor der Momentangeschwindigkeit ist der Grenzwert, der sich
ergibt, wenn Sie für die Berechnung des Geschwindigkeitsvektors das
Zeitintervall um einen Zeitpunkt `t` herum immer kleiner werden lassen.
Dann wird zwar `Delta bb r` immer kleiner, aber das Verhältnis zu `Delta t` wird konstant:
`bb v(t) = lim_(Delta t -> 0) (Delta bb r)/(Delta t) = (d bb r)/(dt) = dot bb r(t)`
Der Geschwindigkeitsvektor hat jeweils die Richtung des Verschiebungsvektors.
Wenn das Zeitintervall `Delta t` immer kleiner wird, wandert der Punkt `P_2`,
für den Sie den Verschiebungsvektor von `P` nach `P_2` berechnen, immer näher
an `P` heran, und der Geschwindigkeitsvektor hat schließlich die Richtung der
Tangente an die Bahnkurve im Punkt `P`.
Dies ist eine sehr kompakte Schreibweise, die außerdem völlig unabhängig
vom gewählten Koordinatensystem ist. Erst wenn Sie mit einer konkreten
Darstellung des Vektors rechnen wollen, müssen Sie einen Nullpunkt und
Achsenrichtung eines Koordinatensystems festlegen. Alle davorliegenden
Rechenschritte können Sie 'abstrakt' mit der Vektornotation hinschreiben.
Wenn Sie dann numerisch rechnen wollen, können Sie sich das dann geeignete
Koordinatensystem aussuchen oder evtl. sogar alleine mit geometrischen
Überlegungen auskommen, z. B. bei der Addition im Vektorparallelogramm.
Häufig sehen Sie Geschwindigkeitsvektoren in Zeichnungen eingetragen, in
denen auch Bahnen in der Ebene oder im Raum vorkommen. Dabei müssen
Sie sich darüber klar sein, dass lediglich die Richtung eines Geschwindigkeitsvektors im Raum eine reale Bedeutung hat.
Die Länge des eingezeichneten Vektors symbolisiert seinen Betrag, und Sie
müssen vorher vereinbart haben, 'wie viele `cm` wie viele `m//s` bedeuten sollen'.
Wenn Sie in derselben Zeichnung zwei Geschwindigkeitsvektoren eintragen,
dann müssen ihre Längen zueinander im Verhältnis ihrer Beträge stehen. Die
Absolutlänge können Sie vollkommen frei wählen, gerade so, wie es
zeichentechnisch günstig ist, solange ein Geschwindigkeitsvektor mit dem
Betrag `4 m//s` doppelt so lang ist wie ein anderer mit dem Betrag `2 m//s`.
Mit einigem Aufwand kann man zeigen, dass der Geschwindigkeitsvektor
immer tangential zur Bahn eines Körpers gerichtet ist. In der Mathematikvorlesung werden Sie möglicherweise mehr darüber hören.
Für den Start in die Physikvorlesung genügt es, wenn Sie wissen, dass der
Geschwindigkeitsvektor sich aus den Teil-Geschwindigkeitsvektoren der
Teilbewegungen, aus denen die Gesamtbewegung besteht, durch Vektoraddition ergibt.
Längs jeder Achse müssen Sie dann nur noch das Vorzeichen
der Teil-Geschwindigkeit als Information über die Richtung der Geschwindigkeit
in Bezug auf die verabredete Richtung der Achse interpretieren. Die
meisten kinematischen Probleme, z. B. die verschiedenen Varianten des freien
Falls wie horizontaler Wurf, schiefer Wurf, senkrechter Wurf können Sie auf
diese Weise verstehen und quantitativ behandeln.
Wenn Sie den Begriff der Ableitung einer Funktion kennen, dann haben Sie
bestimmt schon gemerkt, dass die Geschwindigkeit für eine Bewegung längs
einer `x`-Achse nichts anderes ist, als die Ableitung der Funktion `x(t)` nach der
Zeit, also die Tangentensteigung im `x(t)`-Diagramm für einen bestimmten
Zeitpunkt `t`.
Der Geschwindigkeitsvektor in drei Dimensionen, dargestellt in einem
kartesischen Koordinatensystem, enthält als Komponenten nichts anderes
als die Ableitungen der Funktionen `x(t)`, `y(t)` und `z(t)` nach der Zeit. In diesem
Vorkurs setzen wir jedoch keine Differentialrechnung ein. Wenn Ihr Professor
im Physikkurs den Zugang zur Kinematik über die Differential- und
Integralrechnung wählt, dann sollten Sie sich an Ihre Schulmathematik
zu diesem Thema erinnern.
Bei einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit bewegt sich ein
Objekt auf einer Geraden, denn der Vektor der Geschwindigkeit hat für
jeden Zeitpunkt der Bewegung denselben Wert: Er hat denselben Betrag
und er hat dieselbe Richtung.
Wenn sich das Objekt zum Zeitpunkt `t_0` an einem Punkt mit dem Ortsvektor
`bb r_0` befindet, dann wird seine Bahn durch die Funktion `bb r(t)` beschrieben:
`bb r(t) = bb r_0 + bb v * (t-t_0)`
Das Kreuzprodukt verknüpft zwei Vektoren multiplikativ zu einem neuen
Vektor. Wichtige physikalische Größen in der Mechanik und in der
Elektrodynamik sind Kreuzprodukte.
Das Skalarprodukt ist eine Operation, die zwei Vektoren so verknüpft, dass
eine ungerichtete Größe (ein Skalar) entsteht. Es ermöglicht u. a. eine
kompakte Definition der Größen Arbeit und Leistung.
Mehr über diese Vektor-Verknüpfungen finden Sie in der Formelsammlung.
5.1 Ortsvektoren
Die Bewegung eines Körpers im Raum können Sie beschreiben, indem Sie
auflisten, an welchen Punkten sich der Körper zu welchen Zeiten befindet.
5.2 Vektoraddition
Die Addition zweier Vektoren `bb a` und `bb b` ist die Anweisung, zunächst mit der
für `bb a` vorgegebenen Richtung die Länge von `bb a` abzuschreiten und anschließend,
von der Spitze von `bb a` aus, mit der für `bb b` vorgegebenen Richtung die Länge
von `bb b` abzugehen. Die beiden Vektoren werden also aneinandergesetzt. Der
Summenvektor zeigt dann vom Anfangspunkt des einen Summandenvektors
zum Endpunkt des zweiten Summandenvektors.
5.3 Verschiebungsvektoren
Bei der Bewegung eines Punkts von `P_1` nach `P_2` wird der Punkt längs der
Verbindungslinie von `P_1` und `P_2` verschoben. Diese Verschiebung können Sie
durch einen Vektor `bb a` beschreiben. Der Verschiebungsvektor `bb a` beginnt im
Punkt `P_1`, seine Spitze endet im Punkt `P_2`.
5.4 Das Überlagerungsprinzip
5.5 Koordinatensysteme
Das kartesische Koordinatensystem besteht aus drei zueinander senkrecht
stehenden Koordinatenachsen, die üblicherweise mit `x`, `y` und `z` bezeichnet
werden.
5.6 Geschwindigkeitsvektor
Die mittlere Geschwindigkeit ist die innerhalb eines Zeitraums `Delta t`
zurückgelegte Strecke `Delta s` dividiert durch diese Zeitintervall.
Wenn Sie ein immer kleineres Zeitintervall um einen bestimmten Zeitpunkt `t`
herum betrachten, ändert sich die mittlere Geschwindigkeit immer weniger, sie nähert sich
einem Grenzwert. Diesen Grenzwert können Sie schließlich dem Zeitpunkt `t` selbst zuordnen.
5.7 Operationen mit Vektoren
In der Vorlesung werden Sie außer der Addition und Subtraktion von
Vektoren auch das Kreuzprodukt und das Skalarprodukt von Vektoren
kennenlernen. Beide spielen in der Physik eine große Rolle.