Schwerpunkt Technomathematik im Master-Studiengang Angewandte Mathematik

In vielen modernen technischen Produkten und Abläufen werden mathematische Methoden angewandt. Kommunikationsnetzwerke und die auf ihnen laufenden Protokolle werden beispielsweise durch graphentheoretische Strukturen und Algorithmen abgebildet, während chemische, biologische sowie ingenieurtechnische Prozesse häufig durch Differentialgleichungssysteme beschrieben werden. Das Materialverhalten von Bauteilen wird mittels partieller Differentialgleichungen modelliert; die technische Logistik ist ohne die Lösung von großen ganzzahligen Optimierungsproblemen nicht mehr möglich. Graphentheoretische, auf Differentialgleichungen und Variationsrechnung basierende Verfahren sowie Optimierungsmethoden kommen auch in der Bildverarbeitung und Bildgebung zum Einsatz; des Weiteren werden dort Methoden aus der Statistik und Datenanalyse, der Numerik und der harmonischen Analyse und Approximationstheorie verwendet. In der Technomathematik studiert man also mathematische Methoden, die in vielen technischen Problemstellungen ihre Anwendung finden.

Die nachstehende Übersicht zeigt beispielhaft, was sich hinter einigen häufig vorkommenden technischen Schlagworten im Alltag verbirgt:

Technisches Schlagwort

Alltagsanwendungen

Wärmeleitung

Gebäudetechnik, Isolierungen, CPU-Kühlung

elektromagnetische Wellen

Mobilfunkgeräte, Satellitenkommunikation, Flugzeugtechnik

mechanische Wellen

Materialfestigkeit, Erdbebendetektion, seismische Bildgebung

Fluiddynamik

Abwasseraufbereitung, Turbinenbau, Ölförderung, Wettersimulation

Populationsdynamik

Bevölkerungswachstum, Ausbreitung von Krankheiten

Graphentheorie

Netzwerke: Straßenverkehr, Versorgungswege, Datenverkehr, Internet

Wellen und Strahlen

medizinische Bildgebung: CT, Röntgen, Mamographie

Himmelsmechanik

Planetenbewegungen, Raumsonden, Raumstationen

Virtual Reality

Computerspiele, Animation, Visual Effects

Technomathematiker*innen übersetzen eine Problemstellung zunächst in die Sprache der Mathematik, das heißt, in Formeln und Gleichungen. Diese Übersetzung ist ein entscheidender Schritt im Entwicklungsprozess, denn je besser das Modell die Realität wiedergibt, desto präziser sind am Ende die Ergebnisse. Ein mathematisches Modell ist, verglichen mit aufwändigen und teilweise nicht realisierbaren praktischen Versuchen, häufig zeitsparend und kostengünstig. Die so auf Grundlage mathematischer Analysen und Simulationen erzielte rechnerische Lösung übersetzen die Technomathematiker zurück in die Realität und prüfen, inwieweit die Resultate die Wirklichkeit widerspiegeln.

Die detaillierten typischen Arbeitsschritte von Technomathematiker*innen kann man wie folgt beschreiben:

  1. Mathematische Modellbildung: Übersetzung in die Sprache der Mathematik; einen Ansatz finden
  2. Erste Modellanalyse: Plausibilität des Modells; ggf. Vereinfachung des Modells
  3. Tiefere Modellanalyse: Lösbarkeit des Modells und Eindeutigkeit der Lösung; Modelleigenschaften
  4. Modelldiskretisierung und Computerimplementierung: Berechenbarkeit und Simulation
  5. Analyse der Diskretisierung: Konvergenzaussagen
  6. Ggf. Abgleich der Ergebnisse mit Laborexperimenten
  7. Rückschlüsse von Analyse und Simulation auf die Realität

An der Schnittstelle zwischen Mathematik und Technik benötigen Technomathematiker*innen daher ein fundiertes mathematisches Grundlagen- und Spezialwissen sowie ein gutes technisches Verständnis. Darüber hinaus sind Kenntnisse der Informatik, insbesondere der Programmierung, erforderlich. Technomathematiker*innen sind in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Industrie als Bindeglied zwischen der Mathematik und den Ingenieurwissenschaften sehr gefragt.

Der Schwerpunkt Technomathematik im Masterstudiengang Angewandte Mathematik

Die Voraussetzung zur Ausweisung des Schwerpunktes Technomathematik ist erfüllt, wenn drei Wahlpflichtmodule, ein Projektseminar sowie die Masterarbeit aus diesem Schwerpunkt absolviert wurden. Unter anderem werden die folgenden der Technomathematik zugeordneten Wahlpflichtmodule wiederkehrend angeboten:

aus der Mathematik:

Einführung in finite Methoden, Finite Methoden in Anwendungen, Inverse Probleme, Mathematische Methoden der Festigkeitslehre, Warteschlangentheorie, Ereigniszeit- und Zuverlässigkeitsanalyse, Numerische Methoden der Daten- und Signalverarbeitung

aus der Optotechnik und Bildverarbeitung:

Systemtheorie der Bildverarbeitung, Algorithmen der Bildverarbeitung, Systemtheorie der Optik, Computer Vision, Robot Vision, Anwendung und Entwicklung optischer Systeme, Mikrooptik

aus dem Maschinenbau:

Technische Mechanik 2, Technische Mechanik 3, Strömungsmechanik, Maschinendynamik, Regelungstechnik, Mehrkörpersysteme und Strukturdynamik